Aus Kieler Sicht verliefen die Chaostage ’84 wieder erfolgreich, da die Punks der Kieler Landeshauptstadt in der niedersächsischen Landeshauptstadt erneut Präsenz zeigen konnten. Viele, die die Chaostage 1983 verpassten, konnten 1984 endlich ihre Chaostage erleben oder erneut teilnehmen. Nicht nur die Punks um die Kieler Punkband Scapegoats machten sich auf den Weg in die niedersächsische Landeshauptstadt, sondern auch eine ganze Reihe von Wiker Punks, darunter der Hardcore-Punk Maxi.
Schon frühzeitig hatte VINYL BOOGIE in der Pissgelben Punkliste angekündigt, dass es auch ‘84 wieder Chaostage geben wird:
Für den nächsten ChaosTag wird schon ganzsei-
tig Reklame gemacht (4.8.84 zwischen Kröpcke&
Maschsee). Ganz international solls aufgezogen
werden. Ob das gut geht. Mittlerweile sollen
die Olympischen Winterspiele der Punker vorbe-
reitet werden(10. oder 12.April-vergessen, wann
genau.Pogophon weiß mehr,hoffentlich).This is
Heidelberg,not Hannover.
(Auszug Pissgelbe Punkliste von VINYL BOOGIE)
Unmittelbar vor den Chaostagen 1984 hieß es In einer Ankündigung in der Pissgelben Punkliste:
HANNOVER 4.8. (3.-6.?)
Großes Antibreakdance,Antipunk-, antiskin-,antipsycho,antiigotisch-
Festival? Egal, was auch immer ihr
in Hannover tut,irgendjemand hat
das gleiche schonmal gemacht.
Hannover-Flugblatt legen wir Euch
auf Wunsch bei.
Wer nicht nach Hannover fährt,son-
dern nach Berlin,der kriegt an dem
Samstag bei uns zum Trost 1-2 Büch-
sen (11-16 Uhr offen).
(Ankündigung Hannoveraner Chaostage 1984 Vinyl Boogie)
In dieser Liste war auch eine nicht ganz ernst gemeinte Stadtkarte von Hannover abgedruckt, in die die Hotspots der kommenden Chaostage abgedruckt waren:
(Stadtplan Hannover; Chaostage ’84, Quelle: Pissgelbe Punkliste)
Schließlich war es so weit. Das erste Augustwochenende war gekommen. Hannover sollte für die anstehenden (Chaos-)Tage die Welthauptstadt des Punkrocks werden. Von überall her kamen die Punks und Skins angereist. Die Chaostage ‘84 starteten wie die Chaostage 1983 endeten - mit viel Freilufttrinken in der Innenstadt.
1984 gab es in Hannover brutal-schreckliche Ausschreitungen. Auch das Motto „Punks & Skins United“ aus dem Vorjahr war in diesem Jahr ad acta gelegt. Es gab besonders wieder in der Innenstadt schwere Ausschreitungen zwischen Punks und Skins mit unzähligen Festnahmen durch die Schergen.
Auch der Kieler Punk Maxi wurde festgenommen, nachdem er auf offener Straße von 5 hochgerüsteten Cops zusammengeschlagen und dingfest gemacht wurde. Danach brachten ihn die Schergen über Nacht in einen hannoveraner Knast. In der Zelle erlebte er jedoch eine ruhige Nacht. Im Knast waren sowohl Punks als auch Skins unterbegracht. Wenn jemand Streit suchte, wurde er damit bedroht, mit Punks oder Skins in eine Zelle gesperrt zu werden, jedoch mit dem jeweiligen Widerpart.
Entsprechend Vinyl Boogie textete im Nachgang in der Pissgelben Punkliste:
wie wars denn in Hannover? Oder
in Riccione? Sogar in ner
brasilianischen Zeitung stand
was.
Die Polizei war diesmal cleve-
rer. Wenn irgendjemand ein-
gefahren war und Alarm gemacht
in der Zelle kamen sie an und
ham gesagt (wenns n Skin war):
Na. Glatzimäuschen.möchste lie-
ber in die Telle zu den Pun-
kern?(und umgekehrt). Und alle
waren mucksmäuschenstill.
(Auszug: Pissgelbe Punkliste, ca. Sept. 1984)
Das Presseecho in den Chaos-Folgetagen war enorm. Verschiedene Zeitungen nahmen sich des Themas an und überboten sich, die Punkszene zu verteufeln. Die Bildzeitung machte groß mit den Chaostagen 1984 auf und bot wahre Untergangsszenarien. Die Bildzeitung spricht von 2000 Punkern und Skinheads. Es fällt das Schlagwort „punkbesetzte Zone“.
Neben der Bild berichtete auch die Lahnzeitung, die Neue Presse Hannover, und Hannoversche Allgemeine Zeitung ausführlich. Die sogenannte Chaos-Bilanz in der „Neuen Presse Hannover“ war beindruckend: 125 Verletzte, 33 Autos kaputt (23 Privatautos und 10 Polizeiwagen), 100.000 Mark Schaden, 90 Festnahmen, 199 weitere Personen vorübergehend in Gewahrsam, 16 große Fenster gingen zu Bruch, Aufeinanderprallen von 800 Punks mit 120 rechtsradikalen Skins, mehrere Hundertschaften Polizei. Auwaia, das klang alles sehr chaotisch.
Später kursierten wieder jede Menge Fotos von den Chaostagen ’84, mindestens ebensoviele wie von den Chaostagen 1983. Auf einem der Fotos ist der Sänger der kieler Punkband Scapegoats zu sehen, wie er verängstigt, wegen des Polizeiaufgebots in durch Hannover, durch die Straßen druckst - quasi im Schatten der Cops. Er trägt dabei seine schwarze Punkfrisur und eine Nietenjacke, neben ihm ein Punk aus dem „Ostblock“, jedoch mit einer Zip-Jacke - nur mit Reißverschlüssen und ohne Nieten. Sie gehen unter einer Stadtbahnbrücke auf der linken Seite eine vierspurige Straße entlang nach links. Rechts von Ihnen unzählige Punks auf der rechten Doppelspur. Zwischen den Spuren die Stadbahnbrücke. Alle blicken nach vorne rechts, als drohe von dort Gefahr. Dort konnten nur die Cops oder Ausschreitungen sein. Es gab schlussendlich Nachberichte in Fanzines.
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