I.Punk
Die Mülldeponie
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ch verbrachte einen Teil
meiner Kindheit auf der Mülldeponie Schusterkrug. Die Müllhalde nannten wir
liebevoll Ramscher. Dort suchten wir, mit unseren Ramscherhaken im Abfall
scharrend, nach brauchbarem Unrat wie Abzeichen, Kokaden und Uniformknöpfen. Wir
fanden Nazi-Seekarten, Grabsteine, Patronenhülsen, Gewehrübungsgranaten made in
Israel, Panzerfaustumhängetaschen – all den ganzen Dreck – und stocherten in
Haushalts-, Militär- und blutigen Krankenhausabfällen, bevor die Müllberge von
Planierraupen untergekehrt wurden. Es wimmelte hier von Ratten, Krähen und
Möwen, die sich verflüchtigten, wenn wir uns bemerkbar machten. An einer Stelle
hing eine tote Krähe an einem Draht kopfüber von einer Metallplanke. Hier und
da verreckte Möwen und halbverweste Ratten.
Jedes Mal, wenn wir den
Müllplatz betraten, mussten wir die Bahngleise überqueren, über die zu
bestimmten Uhrzeiten fabrikneue Panzer von langsam fahrenden Zügen aus
Friedrichsort abtransportiert wurden. Die Weinbergschnecken,
die wir sammelten und auf die Bahngleise legten, um sie von den
Panzertransporten plattwalzen zu lassen, hatten nur geringe Überlebenschancen. Unsere Schrottplatzfundstücke tauschten und
verscherbelten wir später an andere Kids aus dem Ort und verheimlichten, dass
sie bereits im Dreck lagen. Vermutlich war das Stochern im Müll ein Wegbereiter
für meine spätere Leidenschaft zum Punk.
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