Samstag, 1. Juli 2017


I.Punk



Die Mülldeponie

I
ch verbrachte einen Teil meiner Kindheit auf der Mülldeponie Schusterkrug. Die Müllhalde nannten wir liebevoll Ramscher. Dort suchten wir, mit unseren Ramscherhaken im Abfall scharrend, nach brauchbarem Unrat wie Abzeichen, Kokaden und Uniformknöpfen. Wir fanden Nazi-Seekarten, Grabsteine, Patronenhülsen, Gewehrübungsgranaten made in Israel, Panzerfaustumhängetaschen – all den ganzen Dreck – und stocherten in Haushalts-, Militär- und blutigen Krankenhausabfällen, bevor die Müllberge von Planierraupen untergekehrt wurden. Es wimmelte hier von Ratten, Krähen und Möwen, die sich verflüchtigten, wenn wir uns bemerkbar machten. An einer Stelle hing eine tote Krähe an einem Draht kopfüber von einer Metallplanke. Hier und da verreckte Möwen und halbverweste Ratten.
Jedes Mal, wenn wir den Müllplatz betraten, mussten wir die Bahngleise überqueren, über die zu bestimmten Uhrzeiten fabrikneue Panzer von langsam fahrenden Zügen aus Friedrichsort abtransportiert wurden. Die Weinbergschnecken, die wir sammelten und auf die Bahngleise legten, um sie von den Panzertransporten plattwalzen zu lassen, hatten nur geringe Überlebenschancen. Unsere Schrottplatzfundstücke tauschten und verscherbelten wir später an andere Kids aus dem Ort und verheimlichten, dass sie bereits im Dreck lagen. Vermutlich war das Stochern im Müll ein Wegbereiter für meine spätere Leidenschaft zum Punk.


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