Radkes Major
Accident-Tattoo
adke wollte sich an der
Küste ein neues Tattoo stechen lassen. Er hatte sich extra eine Tätowiervorlage
von einem Plattencover der Band Major Accident abgezeichnet. Auf der Vorlage
war ein Droog zu sehen. Ich war überrascht, als er vor uns Skins äußerte, dass
ausgerechnet ich ihn zum Tätowierer begleiten sollte. Er wollte mich als eine
Art Personenschutz dabeihaben, falls im Tattoo-Shop etwas aus dem Ruder laufen
sollte. Radke wollte sich vom Tätowierer, der zur lokalen Rockerszene gehörte,
nicht abziehen lassen, denn nüchtern wollte er sowieso nicht in den Laden. Wir
kehrten noch am gleichen Abend sturzbetrunken beim besagten Tätowierer ein, der
sich direkt am Kieler Puff neben den ganzen Spelunken befand. Radke sollte
gleich auf einer Art Zahnarztstuhl Platz nehmen. Der freundliche Tätowierer
stellte mir einen Hocker direkt daneben. Der Typ war zwar durch und durch
Rocker, stellte aber gleich klar, dass er nichts gegen Skinheads habe. Radke
zeigte ihm zu Beginn die Major Accident-Vorlage. Der Tätowierer begutachtete
kurz die Zeichnung und hakte mehrmals wegen der grafischen Ungenauigkeiten
nach:
„Hier an der Melone, soll das eine
Lichtspiegelung sein?“
„Das kannst du ruhig alles schwarz
machen.“
„Und das soll ein Stehkragen sein?“
„Ja, das soll so übernommen werden.“
Radke gab sein
Einverständnis, dass der Tattoo-Künstler an einigen Stellen mehr Schärfe ins
Tattoo bringen durfte.
„Na, dann werde ich mal loslegen!“,
und der schmerzhafte Spaß
fing an. Der nette Tätowierer waltete hochkonzentriert seines Amtes, schaltete
die Tätowiermaschine an und zog schwungvoll die erste, kurze Linie. Radke
verzog keine Miene. Hin und wieder unterhielten wir uns und berieten das
Zwischenergebnis.
„Sieht sehr geil aus!“
„Echt geil, ey!“
Ich war mindestens genauso
aufgeregt wie Radke, denn es war das erste Mal, dass ich mich in einem
Tattoo-Studio befand. Während des Tätowierens wischte der Typ wieder und wieder
mit einem kleinen Schwamm über sein Werk, damit sich die Konturen genauer
abzeichneten und um austretendes Blut zu entfernen. Als der Tätowierer endlich
fertig war, klebte er Radke eine Schutzfolie auf den frischen Major Accident
und gab ein paar Pflegehinweise für die ersten Tage. Danach händigte Radke ihm
die vereinbarten 100 D-Mark aus. Bei Gelegenheit sollten wir wieder
reinschauen. Wir verabschiedeten uns vom freundlichen Tätowierer und verließen
den Tattoo-Shop und den Rotlichtbereich. Radke war unfassbar stolz auf sein
neues Tattoo.
Ein paar Wochen später
wurde unsere geliebte Waschhalle endgültig geschlossen. Wir hingen noch eine
Weile in der Waschhalle am Knooper Weg Ecke Frankestraße ab, wo Alit, unser
Kumpel aus Teheran, regelmäßig für viel Aufmunterung sorgte, bis schließlich auch
diese Ersatztrinkhalle geschlossen wurde. Was soll’s, dann mussten wir halt
wieder bei Kälte in den Hauseingängen nahe dem Ansgar-Spielplatz saufen,
meistens Waitzstraße 60 oder 62.
Radkes Major
Accident-Tattoo
Radke
wanted to get a new tattoo at “The Coast”. He had extra drawn a tattooing
pattern from a record cover of Major Accident. There was a droog on the
original. I was surprised when he said in front of the other skins that I
should accompany him to the tattoo artist. He wanted me as a kind of personal
protection, if something should get out of control in the tattoo shop. Radke
did not want to get screwed by the tattooist, who belonged to the local rocker
scene, because he did not want to go sober to the store anyway. On the same
evening, we entered the said tattoo shop, that was close to the Kiel brothel right
next to the many drinking holes. Radke had to sit down on a sort of dentist's
chair. The friendly tattoo artist offered me a stool right next to it. Though
the guy was a rocker from top to bottom, he immediately straightened out he had
nothing against skinheads. At the beginning, Radke showed him the Major
Accident pattern. The tattoo artist briefly examined the drawing and aked
several questions concerning the graphic imprecisions:
"Here
at the bowler, is this supposed to be a light reflection?"
"You
can still make everything black."
"And
this is supposed to be a stand-up collar?"
"Yes,
that has to be done like that."
Radke gave
his consent that the tattoo artist could bring more sharpness into the tattoo
in some places.
"Well,
then I'll get started!",
and the
painful fun began. The friendly tattoo artist started his job highly concentrated,
switched on the tattoo machine, and drew the first, short line full of verve.
Radke did not smile. Every now and then we talked and discussed the intermediate
result.
"Looks
very geil!"
"Real
geil, ey!"
I was at
least as excited as Radke, because it was the first time I was in a tattoo
studio. During tattooing, the guy wiped again and again with a small sponge
over his work to make the contours more precise and remove the blood streaming.
When the tattoo artist was finally finished, he placed Radke a protective foil
onto the fresh Major Accident and gave a few nursing notes for the first days.
Then Radke handed him the agreed 100 D-Mark. At the next opportunity we should drop
in again. We said goodbye to the friendly tattoo artist and left the tattoo
shop and the red light destrict. Radke was incredibly proud of his new tattoo.
A few weeks
later our beloved laundrette was finally closed. We hung a while longer in the laundrette
at the Knooper Weg corner of Frankestraße, where Alit, our friend from Tehran,
regularly gave a lot of encouragement until finally this ersatz drinking hall was
closed. What the hell, then we had to drink out in the cold again in the house entrances
near the Ansgar playground, mostly Waitzstraße 60 or 62.