Mittwoch, 24. April 2024


 

Mein erstes richtiges Exploited T-Shirt

Je älter ich wurde, desto stärker wuchs in mir der Wunsch, mir ein Exploited T-Shirt zu kaufen. Ich hatte diese schottische Punkband zwar immer noch nicht live gesehen, doch das war nur eine Frage der Zeit. Ich wusste, wer ein Exploited T-Shirt in der Öffentlichkeit trägt, hat mit grenzwertigen Sprüchen zu kämpfen. Deshalb ist ein Exploited-Shirt immer gut für Socializing und Leute kennenlernen, es sei denn, dass die Sprüche einfach zu platt sind. T-Shirt Peter in der Holstenstraße führte leider keine Exploited-T-Shirts. Eines Abends, es war schlechtes Wetter, machte ich spontan einen Spaziergang über den Jahrmarkt auf dem Willy. Ich wollte nur eine Runde drehen, nichts kaufen, aber gucken, um danach kurz zum Supermarkt zu gehen und fragen, ob der Pfandautomat wieder funktionierte, denn ich hatte noch eine Holsten-Kiste mit Leergut stehen, das ich im Park gesammelt hatte. Als ich jetzt über den teils matschigen Jahrmarkt ging, war wenig los, ich schaute nach Lebkuchenherzen mit Vereinsnamen darauf. Fehlanzeige. Ich sah Autoscooter, ein Riesenrad, Luftgewehrbuden, Losbuden mit Mikrofondurchsagen, ein Glaslabyrinth für die ganze Familie, Armbrustschießen, Dosenwerfen, Ballschießen von einem fixierten Katapult, Imbissbuden, roch sich überschneidende Senf- und Würstchengerüche, sah Lebkuchenherzen in unterschiedlichen Größen, Zuckerstangen und andere Süßigkeiten, zwei ungefährliche Kinderkarussells, mehrere Bierstände, einen Bayernzelt-Style Holzverschlag mit Sitznischen neben dem Toilettenwagen, eine Toilettenfrau, die gerade die Schicht begann und die große rote Kasse vom Bayernzelt-Style Holzverschlag nebenan holte, mehrere undefinierbare Erlebnisparkours, eine hammerförmige Riesenschaukel, Halligalli-Style Bahnen, ein paar Gaffer vor den Ständen mit Blick zu den Besucher. Die Gaffer waren wohl Schausteller. Ich sah ein Pulk Security, ein Boxautomat mit Kraftmessung, Crêpes-Stände, Mandelverkäufer und vieles mehr. Plötzlich kam ich bei einem Klamotten und T-Shirt-Verkäufer vorbei. Ich sah ein paar Band-T-Shirts, Judas Priest, AC/DC, Wolfsköpfe, ein Bruce Lee T-Shirt, unzählige Totenkopfmotive und vieles mehr. Spontan fragte ich, ob der ein Exploited T-Shirt hat. Er sagte „Moment“, holte ein T-Shirt hervor und breitete es mit einem schwungvollen Wurf vor mir auf dem mit T-Shirts vollgelegten Verkaufstisch aus. Ich sah schon ein großes gelbes Schild weiter links liegen mit der Aufschrift 20€. Doch er sagte sofort „Fünfzehn Euro“. Ich schaute das T-Shirt an. Es war das Motiv der „Beat The Bastards LP“, jedoch qualitativ merkwürdig. Ich sah gleich, dass der Stoff sehr dünn war. Als ich es anfasste, sagte ich „Der Stoff ist aber sehr dünn. Zwölf Euro würde ich dafür ausgeben.“ Da sagte der asiatisch oder indisch wirkende Verkäufer „Das ist zwar dünn, aber die Gewinnspanne ist niedrig.“ Ich überlegte gar nicht, sagte „Ok, ich wollte immer schon mal ein Exploited-T-Shirt haben. Ich nehme es.“ Da holte der Verkäufer eine hauchdünne durchsichtige Tüte hervor mit einem Smiley und dem Wort Danke darauf und gab mir darin das T-Shirt. Mit gemischten Gefühlen ging ich, denn es war vom Stoff halt sehr dünn. Ich ging an der nächsten Halligalli-Style Bahn vorbei, an der mehrere blutjunge Frauen mit offenen Haaren standen, Blazern und Jeans. Ich ging nach links um die Ecke, ging an einem Crêpes-Stand vorbei. Dahinter befand sich zu meinem Entsetzen ein weiterer T-Shirt Verkäufer, dessen T-Shirts qualitativ hochwertiger aussahen. Ich blieb stehen, trat ein paar Schritte weiter an den Stand heran und ahnte schon, was kommen würde. Ich blickte nach links und, siehe da, da hing ein Exploited T-Shirt, so wie ich es immer schon haben wollte. Mit riesigen Exploited Schriftzug und dem gewünschten Iro-Motiv. Hätte ich doch erst eine ganze Runde über den Jahrmarkt gedreht. Da drehte ich mich um und ging weiter. Ich verließ den Jahrmarkt, ging zum Supermarkt und dort direkt zur Kasse und fragte „Ist der Pfandautomat wieder freigegeben?“ Ja, der ist freigegeben.“ Da ging ich nach Hause, um das Leergut zu holen. Doch zu Hause angekommen, wollte ich erst das Exploited T-Shirt anziehen. Ich nahm das zusammengelegte T-Shirt aus der Tüte, hielt es oben mit beiden Händen fest und ließ es sich nach unten ausklappen. Da bekam ich ein Hochgefühl, denn ich erkannte, dass nicht nur die Vorderseite, sondern auch die Rückseite beflockt war. Das bescherte mir ungeahnte Glücksgefühle. Während die Vorderseite farbig war, vor allem gelb-orange, war die Rückseite schwarz-weiß, ebenso mit Iro im Seitenprofil. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie glücklich ich über den Kauf war. Ich stellte mir gleich den Iro hoch und schoss vor dem Spiegel ein Foto. Jetzt fehlt nur noch rote Directions Farbe für den Iro. Ich warte jetzt auf den ersten grenzwertigen Spruch wegen des T-Shirts und freue mich darauf - und vor allem auf das nächste Exploited Konzert hier bei uns im Norden. Das ist die Geschichte von meinem ersten richtigen Exploited T-Shirt.

Dienstag, 13. Februar 2024




 

Der Chicken-Squawk

Auf der MDC LP Millions of Damn Christians befindet sich ein Song, der Chicken Squawk heißt. Die Thematik Landleben und Leben auf Bauernhöfen wurde bereits von einigen Punk-Bands aufgegriffen, so auch von Chaos UK mit dem Song Farmyard Boogie oder UK Subs mit Down on the Farm. Doch beim Chicken Squawk von MDC handelte es sich streng genommen sogar um einen Tanz. Das konnten wir noch nicht erahnen, als wir den Song Chicken Squawk zum ersten Mal hörten. Das Interessante an dem Song ist, dass er nicht nur einen erzählerischen Text hat, sondern auch einen Refrain, bei dem die Geräusche eines Huhnes imitiert werden, und zwar bog, bog, bog, bog, bog, bog, bog. Dies Hühnergegacker verlief im Rhythmus der Musik mit einer eigenen Melodie, die sehr einprägsam war. Noch hatte wir MDC noch nicht live gesehen und konnten noch nicht einschätzen, was es mit dem Chicken Squawk auf sich hatte. Als MDC schließlich das erste Mal in Kiel, in der Alten Meierei spielten, stand schlussendlich der Song Chicken Squawk auf der Playlist. Erst jetzt erkannten wir, dass sich hinter dem Chicken Squawk ein Tanz verbarg, bei dem der Sänger Dave Dictor extra von der Bühne stieg und im Publikum den Chicken Squawk vollführte, während er das Mikro in der linken Hand hielt. Er ging für den Chicken Squawk extra in die Hocke, bewegte sich im Krebsgang und hielt sich die rechte Hand über den Kopf mit auseinandergespreizten Fingern, die er so hielt, als hätte er einen Hahnenkamm. Während er sich jetzt so bewegte, ein Huhn imitierend, sang er die ganze Zeit das bog, bog, bog, bog, bog, bog wie ein verrücktes Hühnchen im Rhythmus der Musik in der Chicken Squawk Refrain-Melodie. Währenddessen standen seine Bandkollegen auf der Bühne und spielten ihre Instrumente im Hardcore-Style. Jetzt war der Chicken Squawk auch in Kiel angekommen. In Zukunft kamen wir bei Trinkgelagen immer wieder auf den Chicken Squawk zu sprechen. In Extremfällen wurde er spontan imitiert, und das nicht nur aus Spaß an der Freud, sondern auch zu Illustrationszwecken und nicht nur wenn MDC lief. Ich kann mich an eine Situation im Kommunalen Kino in der Pumpe erinnern, als wir uns mit vier oder fünf Leuten einen Film ansahen. Mit dabei war der Drummer der damaligen Schulband der Gesamtschule, der leicht einen in der Krone hatte. Wie aus dem Nichts fing er plötzlich mit einem Chicken Squawk an, während der Film bereits lief und alle Kinobesucher sich voll auf den Film konzentrierten. Niemand wusste, weshalb der Drummer jetzt auf einmal den Chicken Squawk assoziierte und für bestimmt fünf Minuten im Kino das bog, bog, bog brachte, bis wir Angst um seine Psyche bekamen. Spätestens nach einer halben Minute war das hochnotpeinlich, doch niemand traute sich zu intervenieren, denn der Drummer war übergeschnappt. Während des Chicken Squawks blieb er auf dem Kino-Stuhl sitzen und bewegte sich wie ein Hühnchen, zuckte mit dem Kopf und tanzte mit den Ellenbogen. Irgendwann war er duch mit seinem Sitting Chicken Squawk und konzentrierte sich wieder auf den Film, umklammerte dabei sein Bier. Da hatten wir schon alle wieder Bauchschmerzen, und waren froh, dass dieser spontane Chicken Squawk vorüber war. Wir hatten schon die Befürchtung, dass es ein Hausverbot geben oder es zu Handgreiflichkeiten kommen könnte. Wir nahmen diesen Chicken Squawk zur Kenntnis und sahen uns den Film in Ruhe zu Ende an. Grundsätzlich ist der Chicken Squawk ein Ausdruck guter Laune. Doch wer weiß, was passiert wäre, wenn die Schergen eingegriffen hätten, um den Chicken Squawk zu unterbinden. Deshalb ist der Chicken Squawk auch ein Politikum, das nur wohl bedacht eingesetzt werden sollte. Ergo ist der Chicken Squawk ein Kulturgut und eine Waffe zugleich. Er ist ein kultureller Import aus den USA, der weltweit in jedem Land verstanden wird, denn überall auf der Welt gibt es Hühner, die, wenn sie geärgert werden, selbst einen Chicken Squawk vollführen. Daher ist der Tanz ein Anthropomorphismus.



 

Dienstag, 6. Februar 2024

 

This is a video of my action reading at Kulturforum, City Centre Library Kiel in 2018. We shot several short videos on different days, some in German, some in English. I just had the first parts of my punk story PSEUDO translated into English as the exhibition "Are You Satisfied?" opened its gates for visitors for the very first time. The cops in the background are puppets in the older green riot police uniforms. They've gote a small motor implemented which makes their heads turn. The green uniforms were already abolished in Germany in the 2000s and substituted by blue ones. I'm reading an excerpt of the chapter "My First Chaos Days" about the great punk riots in Hanover in 1983.
 
 
 Thanks for watching.
 
😎👊